Meldung
Wir wachen auf und die Sonne scheint! Mit einem ausgiebigen Frühstück starten wir in den Tag. Doch sehr schnell kommen Wolken auf, die es ratsam erscheinen lassen, den Taschenschirm einzupacken. Schon gestern haben wir die Touristinformation intensiv gesucht und nicht gefunden – heute stehen wir plötzlich davor. Sie ist im Heimatmuseum neben dem Rathaus untergebracht. Wir holen uns kleine Broschüren in deutscher Sprache. Die Attraktionen sind auf einem Stadtplan numeriert aufgeführt. Wir richten unseren Rundgang danach ein.
Wolin (deutsch Wollin) ist eine Insel vor dem Stettiner Haff. Wolin ist die mit Abstand größte Insel Polens.
Reiche Funde mittel- und neusteinzeitlicher Waffen und Geräte zeugen von einer frühen Besiedlung Wollins. Um 1800 v. Chr. siedelten hier ostgermanische Stämme. Noch im Jahre 2004 konnte bei der Stadt Wollin ein etwa 2000 Jahre altes germanisches Grab freigelegt werden. Im Zuge der Völkerwanderung verließen die Germanen die Insel. Jahrhunderte später, um 700 n. Chr., rückten slawische Wenden aus dem Osten nach. Als Ackerbauern, Viehzüchter und Fischer errichteten sie Rundlingsdörfer an den Strömen und Seen. Die bedeutendste Ansiedlung der Insel war die Stadt Wollin, die den Zenit ihrer Entwicklung im Mittelalter erreicht hatte. Die angehäuften Reichtümer – auch die Schatzkammer im Tempel des dreiköpfigen Triglav war prall gefüllt – erzeugten Begehrlichkeiten bei den Nachbarn.
Um das Jahr 1000 unternahmen die Wikinger wiederholt Kriegszüge gegen die Insel und gründeten hier Handelsniederlassungen, zu deren Schutz sie Burgen errichteten. Die bekannteste unter ihnen war die Jomsburg. Aber nicht nur die Dänen und die Schweden, auch die Deutschen versuchten, die Wolliner zu unterwerfen. Immer wieder gab es auch Kriegszüge der Polen.
Die Zeit um 1400 – eine Blütezeit deutscher Piraterie in der Ost- und Nordsee – wird auf der Insel mit der Seeräuberin Stina in Verbindung gebracht. Den Überlieferungen nach war sie auch Gefährtin und Verbündete Klaus Störtebekers. Sie operierte aber mit einer kleinen Freibeuterschar auch eigenständig von Wollin aus in der Pommerschen Bucht. Nachdem ein Großteil der Briganten mit Störtebeker an der Spitze 1401 auf einer Elbinsel vor Hamburg hingerichtet worden war, ging auch Stina mit ihren Mannen den Häschern ins Netz. Danach wurden sie allesamt im Jordansee ertränkt. Auch in ihrem Fall sind historisches Geschehen und dessen Wiedergabe in Sagen bis in die Gegenwart nicht immer eindeutig zu trennen. Stina bleibt jedoch die einzige bekannte deutsche Seeräuberin.
Während des Dreißigjährigen Krieges besetzte im Jahre 1627 der kaiserliche General Wallenstein von der katholischen Liga die Insel. Als dann drei Jahre später der Schwedenkönig Gustav Adolf bei Peenemünde anlandete, räumten die Landsknechte Wallensteins die geschundene Insel Wollin widerstandslos. Nach dem Westfälischen Frieden von 1648 zählte Wollin zu Schwedisch-Vorpommern. In der Folgezeit führte der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg mehrere siegreiche Kriege gegen die Schweden. Entsprechend dem Erbfolgevertrag hätte nach dem Tode des Pommernherzogs Bogislaw XIV. ganz Pommern an Brandenburg fallen müssen. Ludwig XIV. wusste das jedoch zu verhindern. Im Stockholmer Frieden von 1720 fielen Stettin und die beiden Inseln an Preußen. Unter Friedrich II. gab es erstmals eine nachhaltige ökonomische Entwicklung Wollins. Die Wälder wurden planmäßig genutzt, Schulen gebaut, Dünen befestigt, der Hafenbau in Swinemünde forciert.
Der Kriegszug Napoleons warf die Insel wiederum um Jahrzehnte zurück. Allein die Stadt Wollin musste 600 französische Soldaten beherbergen und verpflegen. Dem Sieg über Napoleon im Jahre 1813 folgte eine Zeit relativen Wohlstands, in der sich die Einwohnerzahl der Insel nahezu verdoppelte. Nach der Reichsgründung im Jahre 1871 wurde Wollin Teil des Deutschen Reiches. In der Endphase des Zweiten Weltkrieges wurde Wollin von der Roten Armee eingenommen. Anschließend wurde die Insel unter polnische Verwaltung gestellt. Es siedelten sich nun Polen und Ukrainer an, die zunächst größtenteils aus den an die Sowjetunion gefallenen Gebieten kamen. Sofern sie nicht vor der Roten Armee geflohen war, wurde die deutsche Zivilbevölkerung in der Folgezeit vertrieben. Heute heißt die Insel Wolin und gehört zu Polen.
Wegen seiner schönen Ostseestrände ist Wollin im Sommer ein beliebtes Ferienziel. Eine weitere Touristenattraktion ist der 1960 gegründete Wolliner Nationalpark. Dieser umfasst derzeit eine Fläche von knapp 11.000 ha und verfügt über einen kleinen Wildpark.
In der Stadt Wolin wurde auch der Reformators Johannes Bugenhagen geboren. Er war ein Weggfährte Martin Luthers. Als sein Freund war er nicht nur dessen Vertrauter und Beichtvater, sondern schloss auch dessen Ehe mit Katharina von Bora, vollzog die Taufe von deren Kindern und hielt die Grabrede für Luther.